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Peter Steinbachs DDR-Dorf-Saga "Liebesau" spürt Idiotie und Idyll auf dem Lande nach Aussterbende Typen
MEDIENTAGEBUCH

Sie heißen Gerlinde und "Schorsch", und in der nächsten Generation Karl und Grete. Deutsche Namen halt, die noch an den gemeinsamen Ursprung erinnern. Erst Ines wird sich Ende der siebziger Jahre dagegen wehren, dass ihr Kind Sigismund heißen soll, wie ihr Geliebter Klaus-Peter es will. Nein, es soll Carmen oder Thomas heißen. Das sind Namen, die damals auch im Westen beliebt waren. So beliebt, wie in den fünfziger Jahren - hüben wie drüben - die Negerpuppe (das "Negerle") bei den kleinen Mädchen. Auch Grete aus Liebesau hat so eine und hält sie mit anderen Habseligkeiten versteckt. Dass die noch auf sie wartet, als Grete zehn Jahre später nach Liebesau zurückkehrt, rührt sie sehr. Es ändert sich eben nichts auf dem Dorf. Viel später kommt Grete dann mit einem richtigen schokoladenbraunen Mädchen in ihre Heimat zurück. Das ist ihre Tochter Georgia - vielleicht nach dem "Schorsch" genannt, den Grete so gerne als Vater gehabt hätte. Aber da ist dann schon alles ganz anders im Dorf und der Schorsch längst tot, und Georgia kann nicht verstehen, warum ihre Mutter hierher zurück wollte.

In Liebesau wohnt der "wahre Mensch, der Genossenschaftsbauer". Sagt der Bürgermeister. Sagt der 2. Bezirkssekretär. Sagt der alte Sowjet-General, der ´45 das Land befreite und anlässlich des 30. Jahrestages der Republik das Dorf besucht. Nur Klaus-Peter, der andere Besucher, glaubt nicht mehr daran. Dabei sitzt er doch hoch oben im ZK. Schorsch hat es mit dem "wahren Menschen" nie so gehabt, mehr mit Maschinen. Die sind in Liebesau so rar wie Benzin. Doch ´53, als Schorsch schon im Westen ist, sehnt er sich so sehr, dass er kurzerhand zu Gerlinde und Sohn Karli zurückkehrt und LPG-Vorsitzender wird. Das ist vorausschauend. Bauer Fechner will nämlich kein "wahrer Mensch" werden. Als ihn Ulbricht dann auch noch im Stich lässt, hockt er wie der Schneider von Ulm auf dem Kirchturm. Springen in den Westen braucht er nicht, denn es gibt noch keine Mauer. Aber aus Karli und Grete wird nix. Nur immer ein Kommen und Weggehen. 40 Jahre vergebliche Liebe. Bis alles irgendwie zu spät ist.

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