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Liebesau und das Bild über den Osten

Das Liebesauer Landambulatorium, im wahren Leben eine Kneipe, am Sonntagmorgen, kurz nach 9: Treffen zum Frühschoppen mit Fernsehkritik. "Erst mal ein Schnäpschen hier." "Der Keilriemen von dem Mähdrescher, das hat es nie gegeben, mit einem Perlonstrumpf. Das hat es höchstens beim Trabi gegeben." "Da hast du immer eine Strumpfhose mitgehabt, falls der Keilriemen reißt." "Die Getreideernte, wenn sie die Säcke da abladen, haben sie mit einer Hand abgeladen, die waren mit so was Loses gestopft." "Ich meine, das müssen dann schon Getreidesäcke sein, wo zwei Mann anfassen und dann runter heben. So ist das dann richtig." Doch nicht nur die Getreidesäcke waren zu leicht. Auch die Geldsäcke der Liebesauer hätten besser gefüllt werden können. Findet zumindest Bauer Lutzmann. Viel zu wenig hätten die Filmleute für die Nutzung seines Hofes bezahlt. "Dann, auf einmal, kamen die an, ob ich einverstanden wäre, die wollen hier einen Film drehen. Da hab ich gesagt: ihr wollt mich wohl verscheißern? Wir haben uns das alles anders vorgestellt, als wie es halt gekommen ist. Wenn ich das höre, was die in Bösewich sollen gekriegt haben, da haben die uns mit einem Appel und einem Ei abgespeist. Wir waren doch blöde, haben nicht gewusst wie und was." Nach Osten sollte es aussehen in Liebesau. Sieht es auch. Fast. Und was nicht verfallen genug war, wurde eben auf verfallen getrimmt.               "Hier ist dann ein Haus neuerer Bauart. Da wurden dann eben die Dachziegel besprüht, damit das alles dann einen älteren Charakter hatte. Und um die Fassade, die ja neu gestrichen war, kam dann ein Tarnnetz rum." "Es war eben sehr laut auch gewesen. Nachts war Unruhe, und früh eben Unruhe. Und da war es eben nicht schön gewesen, dass zum Schluss, die Abschlussfeier, waren eben bloß geladene Gäste gewesen. Und hätten sie ja wenigstens die Leute aus dem Dorf mit einladen können, die eben die Unruhe mit dulden mussten, praktisch." Und das, obwohl doch das halbe Dorf als Statisten am Film beteiligt war. Auch Günter Höhne. "So, wenn man hier auf den Hof kommt, auf der rechten Seite, das grüne Tor, da standen die Kühe drin, dann sind hier auf dem Hof Puten rumgelaufen und Enten. Wenn Herbert Köfer hier auf den Hof kam, die erste Anrede war: Grüß dich, Opa Herbert. Und Herbert war damit schön einverstanden. Und wo ich auch so gestaunt habe: wir waren in Drewitz, zur Abschlussfeier. Und ich unterhalte mich mit Herbert Köfer, und auf einmal sagt der: Entschuldigen sie bitte, darf ich ihnen meine Frau vorstellen? Ich war perplex. Alles andere lass ich lieber." Sonntagabend, kurz vor acht: Gemeinschaftsempfang in der Kneipe. "So, wie sich ein Wessi das vorstellt, wie es hier gewesen ist. Der das geschrieben hat und drauf pocht, dass er ein Ossi ist, der war zu lange nicht da. Ganz so toll war das alles nicht. Es war übertrieben, aber ein bisschen was war ist schon wahr. Das war zu toll, zu überbetont. So toll war's nicht, und schon gar nicht auf dem Land. Mag sein, dass es in der Stadt so war, aber hier auf dem Land haben wir das so derb nicht erlebt."
      17.05.2002 | 12:28

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